Der Bürgermeister setzt sich durch

Was hat die Debatte um die Stellungnahme der Gemeinde zur Entlastungsstraße K3575neu an der Gemeinderatssitzung vom 7. Dezember gezeigt?

  • Alle Gemeinderäte befürworten grundsätzlich die Umgehungsstraße und haben im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens jetzt für eine positive Stellungnahme der Gemeinde Bad Schönborn gesorgt
  • Alle Gemeinderäte lehnen gleichzeitig die Umgehungsstraße auf der Grundlage der aktuellen Trassenplanung des Landkreises ab, da wesentliche Einwendungen aus dem Jahr 2004 nicht berücksichtigt wurden.
  • Die Gemeinderäte vertrauen darauf, dass das Landratsamt die Planung noch einmal deutlich überarbeitet. Dies obwohl:
    • das Landratsamt in den vergangenen fünf Jahren lediglich eine der vier wichtigen Einwendungen umgesetzt hat
    • der Brief des Landrats vom 6. Dezember 2010 klar und deutlich zu verstehen gab, dass es keine weiteren Planungsänderungen geben wird
    • die Stellungnahme der Gemeinde nicht an den Landkreis sondern an das Regierungspräsidium Karlsruhe gerichtet ist
  • Alle Gemeinderäte haben darauf verzichtet ihre Zustimmung zum Bau der Ortsumgehung zu verknüpfen
    • mit Maßnahmen, um die Lebensqualität der Anwohner der Hauptstraßen sofort zu verbessern
    • mit der Zustimmung zur einer Gesamtverkehrsplanung für Bad Schönborn
    • mit der Zustimmung zu einer Planung und Finanzierung der Verkehrsberuhigungsmaßnahmen für Langenbrücken und Mingolsheim
  • Weder der Bürgermeister noch der Gemeinderat haben neue Punkte in die Liste der Einwendungen der Gemeinde aufgenommen. Wichtige Punkte zur mangelhaften Rechtfertigung der Straße, die z.B. das Aktionsbündnis www.K3575-Initiative.de in den vergangenen Monaten aufgeworfen hat, wurden damit ignoriert. Das Engagement der Mitbürger wurde zudem vom Bürgermeister in seiner „Brandrede“ immer wieder unsachlich angegriffen. Wie soll mit dieser Einstellung im Dialog mit allen Beteiligten eine für die Mehrheit der Menschen in Bad Schönborn tragbare Lösung gefunden werden?
  • Zu diesem wichtigen Vorhaben hat keine frühzeitige Information der Einwohner nach §20 Abs. 2 und keine Bürgerversammlung nach §20a der Gemeindeordnung von Baden-Württemberg stattgefunden. Kein anwesender Gemeinderat wies den Bürgermeister auf dieses Manko an Bürgerbeteiligung hin. Was die rund 100 anwesenden Bürger an diesem Abend zudem erlebten, war leider eine reine „Zuschauer-Demokratie“.
  • Der Bürgermeister hat den Planfeststeller als Schlichter („Heiner Geissler des Verfahrens“) verkauft. Niemand verbesserte ihn in dieser Debatte. Der Erörterungstermin im Planfeststellungsverfahren ist aber leider keine Veranstaltung, wo Befürworter und Gegner auf Augenhöhe ihre Argumente austauschen. Das wird jeder Einwender im nächsten Frühjahr erleben.
  • Interessant ist auch, dass Bürgermeister Jürgen Heß via BNN im nach hinein abstreitet, von Bürgermeister Rolf Müller als „Überraschungsgast“ zur einer Präsentation seiner Stellungnahme eingeladen worden zu sein (der „Überraschungsgast“ war ja der Grund wieso der wichtigste Tagesordnungspunkt nicht als erstes behandelt werden konnte).

Fazit:

  • Bürgermeister Rolf Müller hat sich Kraft seines Amtes und mit taktischem sowie rhetorischem Geschick durchgesetzt und mit der positiven Stellungnahme sein Gesicht im Kreistag gewahrt.
  • Aus strategischer Sicht wichtig: die Mehrheit des Gemeinderates ist nicht mehr bereit jeden Preis für die Entlastungsstraße zu zahlen („sparsame Haushaltsführung“) und erwartet ein weites Entgegenkommen des Landkreises.
  • Nicht zukunftsorientiert: ein Vorgehen, Ortsumgehungen nur mit Verkehrsberuhigung im Paket und auf Basis von aktuellen Verkehrszählungen und eines lokalen Verkehrskonzepts durchzuführen, findet (noch) kein Gehör – weder bei der Gemeinde noch bei den Gemeinderatsfraktionen
  • Soviel steht fest: Die Themen Bürgerbeteiligung und Verkehrsplanung werden den Bürgermeisterwahlkampf maßgeblich beeinflussen. Der nächste Bürgermeister wird u.a. dafür sorgen müssen, den Dialog zwischen allen Beteiligten auf Augenhöhe zu ermöglichen.