Haushaltsrede Grüne Liste 2025

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich würde gerne ausschließlich über den kommunalen Haushalt sprechen, über die makro-ökonomischen Schwierigkeiten von Sparpolitik in rezessiven Zeiten, über den Kindergarten Turbo und unsere gescheiterten Anträge zum Klimaschutz. Aber da die Welt gerade aus den Fugen gerät, sowohl wenn man über den Atlantik schaut als auch auf die Bundespolitik, möchte ich, nein, muss ich, mein Privileg nutzen, hier als Gemeinderätin sprechen zu dürfen. Denn es gibt keinen falschen Anlass, um vor der Stärkung der radikal Rechten zu warnen.

Jede 5.Person in Deutschland hat am Sonntag eine rechtsextreme Partei gewählt. Rechtspopulisten und Islamisten haben die Wahlkampfthemen bestimmt. Demokratische Mehrheiten sind keine Gewissheit mehr, ein baldiger Kanzler setzt Erpressung als Mittel ein, um asylfeindliche Gesetze durchzubringen, die aller Voraussicht nach an EU-Recht scheitern. Es gibt viele Menschen in diesem Land, die nun Angst haben, ihrer Heimat beraubt zu werden. Ähnlich wie die Kirchen, die Altkanzlerin, und Tausende von Menschen in Deutschland verurteilen wir den Einriss der Brandmauer. In der Politikwissenschaft gibt es starke Evidenzen, die zeigen, dass ein restriktiver Migrationskurs konservativer Parteien radikal rechte Parteien normalisiert und stärkt. In Frankreich, den Niederlanden, Österreich, Italien und Schweden haben rechtsradikale Parteien bereits konservative Parteien bei den Wahlen überholt. Man mag vielleicht argumentieren, dass die AfD nicht in unserem Gemeinderat sitzt, und Migrationspolitik nur eine zweitrangige Rolle auf kommunaler Ebene spielt. Aber wir werden achtsam sein. Wenn Anti-AfD Graffitis am Bahnhof in Mingolsheim plötzlich verschwinden. Wir werden zuhören und wir werden laut, wenn unsere Demokratie, ja, wenn Menschen in unserem Land aufgrund ihrer Herkunft, sexuellen Orientierung und Identität in Gefahr sind. Die Demo für Vielfalt und Demokratie in Langenbrücken am 15.Februar mit mehr als 250 Teilnehmer*innen war wieder ein voller Erfolg. Die aktuelle wirtschaftliche und gesellschaftliche Lage ist bedrückend.

Wir haben im Bund, aber auch in Bad Schönborn einen erheblichen Sanierungsstau. Die Infrastruktur hat große Mängel, egal ob man in Kindergärten und Pflegeeinrichtungen, auf Straßen oder Brücken schaut. Gleichzeitig ist der Mittelfluss von Land und Bund begrenzt, sodass Kommunen vor dem Balanceakt stehen, nötige Investitionen zu tätigen und gleichzeitig nicht in die Insolvenz abzurutschen. Unserem Kämmerer Max Trinter ist mit dem vorliegenden Haushalt dieser Balanceakt gelungen. Unser Dank gebührt ihm und seinem Team, sowie der gesamten Gemeindeverwaltung, die weitsichtig strategische Ideen plant und umsetzt, sowie das Alltagsgeschäft hervorragend meistert.

Wir würden nicht das Jahr 2025 schreiben, wenn auch bei uns in Bad Schönborn große Sanierungsprojekte anstehen. Neben der Schönbornhalle, dem Rathaus in Langenbrücken müssen insbesondere zwei Kindergärten – der St. Maria und alsbald auch der St. Raphael – saniert und neugebaut werden. Der Ergebnishaushalt weist ein Negativergebnis von 5Millionen auf sowie eine Aufwandsdeckung von 87%, finanzielle Rücklagen schwinden. Die Kreisumlage mit 32% fällt deutlich höher aus wie in den Vorjahren, was bedeutet, dass wir über 7 Millionen an den Landkreis überweisen müssen. Viele Investitionen sind im Tiefbau angesiedelt, über 20 Millionen müssen in die Abwasserbeseitigung bzw. die Kanalerneuerung sowie Regenklärbecken investiert werden. Auch wenn zunächst nicht sichtbar, haben diese einen positiven Effekt auf die Umwelt und bieten einen besseren Schutz vor Hochwasserereignissen. Wir freuen uns insbesondere darauf, dass sich im Bereich Kinderbetreuung eine Entlastung einstellen wird. Zum einen wird es mehr Krippen- und Kindergartenplätze durch Erweiterungen geben, aber auch einige Räumlichkeiten werden endlich auf Vordermann gebracht. In diesem Zusammenhang begrüßen wir, dass mehr Ausbildungsplätze in den Kindergärten eingeplant werden, um dem Erzieher*innenmangel entgegenzuwirken. Es gibt eigentlich keinen Kindergarten in Bad Schönborn, der die letzten Jahre keine Notbetreuung o.ä. hatte. Wenn man selbst in dieser Situation steckt, als Elternteil, Erzieher*in oder Einrichtungsleitung, weiß man, wie belastend das ist und welchen Rattenschwanz das nach sich zieht. Es wird dringend Zeit, dass hier was passiert. Umso lobenswerter das Engagement von Frau Gatzke und ihrem Team beim Neubau von St. Maria. Wir freuen uns darauf, dass die Bus- und S-Bahnhaltstellen endlich barrierefrei ausgebaut werden, was für einen Kurort unabdingbar ist. Weiterhin wird der Radweg Kislau K3575 im nördlichen Abschnitt ausgebaut, was die Sicherheit der Fahrradfahrer*innen deutlich verbessert.Eines der größten Projekte der nächsten Jahre wird das Neubaugebiet Langenbrücken-West sein. Wir wollen ein Neubaugebiet, das ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltig ist. Dabei wollen wir Fehler, die im Gewerbegebiet Sand geschehen sind, vermeiden, einen attraktiven Ort für Gewerbetreibende schaffen und gleichzeitig der Wohnungsnot in Bad Schönborn entgegenwirken. Jedoch sollte auch die sanfte Nachverdichtung weiter vorangetrieben werden.

Wir erhalten durch unsere Beteiligung an NetzeBW sowie durch die neue Floating PV Anlage auf dem Philippsee Erträge, die wir in den Klima- und Umweltschutz investieren. 2025 werden ca. 273.000 € in den Umwelt- und Klimaschutz fließen, wovon aber ein Großteil Personalkosten sind. Wir haben dem Gemeinderat einige Vorschläge für konkrete Klimaschutzmaßnahmen unterbreitet. Es wäre schön gewesen, wenn wenigstens eine Klimaschutzmaßnahme eine Mehrheit gefunden hätte. Von einem Trinkwasserbrunnen, über Förderungen zur Entsiegelung von Flächen, bis zu ausleihbaren E-Lastenrädern wie in Kronau wurde leider keine Maßnahme Teil des kommunalen Haushalts. Dabei hat der Gemeinderat am 23.Juli 2019 einstimmig beschlossen, dass Bad Schönborn 2030 klimaneutral sein soll. Wir fragen uns nur wie. Denn die Klimakrise bleibt die größte Krise, die in ihrer Reichweite ökonomische Talfahrten bei weitem übertrifft. Extremwetterereignisse und Hitzewellen werden vor Bad Schönborn nicht halt machen, weshalb wir hier vorausschauend und evidenzbasiert agieren müssten. Klimaschutz ist Menschenschutz.Was die Einnahmenseite betrifft, so muss die Neuberechnung der Grundsteuer B thematisiert werden, die viele Grundstückbesitzer*innen beschäftigt. Die Länder haben neue Berechnungsweisen festgelegt, wonach der Ressource „Land“ ein neuer Wert zugemessen wird. Wir als Kommune haben ausschließlich die Hebesätze festgelegt. In der Summe ändern sich die Einnahmen durch die Grundsteuer für die Kommune nicht. Wir wissen, was Bad Schönborn kann und wir werden unser Bestes daran setzen, unsere Gemeinde noch klimafreundlicher, noch attraktiver für alle Menschen zu machen. Wir haben unglaublich engagierte Bürger*innen, die ehrenamtlich in Vereinen, bei der Feuerwehr, in der Kirche oder für die Tafel und Geflüchtete engagiert sind. Es lässt sich nicht bemessen, wie viel das wert ist. Nun an zentraler Infrastruktur zu sparen wäre der falsche Weg in ökonomischer, politischer und gesellschaftlicher Hinsicht. Denn Austeritätspolitik, da komme ich wieder zum Beginn meiner Rede, kommt nur einem Akteur zugute: den radikal Rechten. Wenn nichts funktioniert, wenn man durch Schlaglöcher fährt, ständig in Notbetreuung ist, keine Wohnung mehr findet, ja, dann wenden sich viele der AfD zu, das ist empirisch nachgewiesen.

Alles in allem ist der kommunale Haushalt unterstützenwert. Wir sehen gute Ansätze im Umwelt- und Klimaschutz, hier muss aber deutlich mehr passieren. Wir werden dem Haushalt trotz der angesprochenen Schwächen zustimmen. Dem Haushaltsplan für das Wasserwerk und der Oberbäurischen Waisenstiftung stimmen wir ohne Einschränkungen zu.

Dr. Anne-Marie Parth für die Grüne Liste Bad Schönborn